Über die Arbeit und die Künstlerin

„Meine Objekte und Installationen entstehen in Wechselwirkung mit vorhandenen Räumen. Im Rahmen des übergeordneten Themas „Leben und Tod – Tod und Leben“ konzentriere ich auf den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen.“

Betritt man die evangelische Kirche in Bruchenbrücken, fällt der Blick auf den Altar in der Mitte des Raums. Doch schnell erregt etwas anderes die Aufmerksamkeit des Betrachters und lenkt den Blick auf eine Fläche seitlich des Altars.

Vor der Kanzel befand sich ursprünglich eine mit schwarzem Marmor ausgelegte Fläche. Nun ist sie bedeckt mit Erde aus der Bruchenbrückener Umgebung bedeckt. Anwohner waren eingeladen, Erde aus ihrem Garten vorbei zu bringen und ein befreundeter Landwirt steuerte eine große Menge an Erde seines Ackers bei.

Auf diesem angehäuften Erdreich liegt verstreut eine Ansammlung von sehr dünnen Porzellanobjekten in weiß und seladongrün, die farblich und ihrer Formung nach Assoziationen zu Pflanzenhüllen, vertrockneten Blüten, Hülsen oder Stängel wecken. Sie liegen da wie hingeweht, es ist nicht klar, ob sie aus der Erde kommen oder in sie einsinken. Manche Objektformen erinnern an Vogelschädel und verbinden sich mit den Pelikan-Abbildungen in der Kirche.

Der Farbton der aufgeschütteten Erde, das durchscheinende Weiß und Seladon des Porzellans fügt sich ein in die Farbgebung des Kirchenraums: sandsteinrot, beige, taubenblau, mattes petrol.

Diese Verbindungen, das in Bezug auf Farbe und Form mit dem Raum Korrespondierende, sind wichtig für die Künstlerin, nimmt sie in ihrer Arbeit immer auch Bezüge zu den Umräumen auf, in und mit denen sie ihre Konzepte umsetzt.

Das weiße Porzellan steht für die Künstlerin in gedoppelter Hinsicht für das Werden und Vergehen. Einerseits das Weiß als Summe aller Farben und somit stellvertretend für das allumfassende Leben im Werden und Vergehen. Knochen als Relikte einstigen Lebens sind weiß, ebenso das einen neuen Abschnitt einleitende Weiß eines Brautkleids. Und dann die Fragilität des Porzellans, die für Ulli Böhmelmann für die sensible Balance von Leben und Tod steht, die natürlich anmutenden Elemente ihrer Arbeit für Werden und Vergehen.


Ulli Böhmelmanns Objekte und Installationen entstehen in Wechselwirkung mit vorhandenen Räumen. Ihre Werke erlauben den Betrachtenden eine körperliche Erfahrung von Materialität und Zwischenraum.

Dabei bezieht die Künstlerin die konkrete Geschichte des Ortes und Besonderheiten der Architektur in ihre Installationen ein oder nimmt bisher nicht wahrgenommene Zwischenräume in den Fokus. So hängt oder verspannt sie leichte, transparente Materialien und schafft somit eine neue Einteilung des Raumes.

Die Künstlerin arbeitete mehrfach mit Choreographen, Klangkünstlern und Autoren zusammen, um die Sinne der Besuchenden auf mehreren Ebenen anzusprechen.

Ein weiterer Schwerpunkt sind Objektreihen aus Vliesstoff, Porzellan, Textil u.a., die im Kleinen das Verhältnis von Materialität und Zwischenraum zeigen.

Ihre künstlerische Ausbildung begann mit einer Lehre als Baukeramikerin und wurde mit einem Studium der Bildenden Kunst fortgesetzt, das sich auf skulpturale Keramik/Porzellan und ortsspezifische Installationen konzentrierte. Während ihres Studiums gewann Böhmelmann 1994 den japanischen INAX Design Prize for European und wurde eingeladen, drei Monate in Japan zu leben, zu arbeiten und auszustellen. Aspekte der japanischen Architektur und Landschaftsgestaltung beeinflussen bis heute ihre Art, Raum wahrzunehmen und ortsspezifische Installationen zu schaffen. Sie ist immer auf der Suche nach neuen Materialien und wie sie deren Grenzen zur Transparenz ausreizen kann.

Mehr über Ulli Böhmelmann finden Sie hier.